2. a) Geht es um Bewertungsfragen, bestimmt in seinem Anwendungsbereich das Bundesrecht, nach welchen Rechtsgrundsätzen die Bewertung vorzunehmen ist, wogegen die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Wertermittlung grundsätzlich eine vom kantonalen Richter abschliessend zu beurteilende Tatfrage darstellt (vgl. analog BGE 117 II 609 E. 12a S. 628).
b) Nach Art. 686 Abs. 4 aOR hat der Erbe vinkulierter Namenaktien ohne Börsenkurs, dem die Eintragung ins Aktienbuch verweigert
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wird, Anspruch auf Übernahme der Aktien durch den Verwaltungsrat oder Aktionäre zum wirklichen Wert im Zeitpunkt der Anmeldung. Im neuen Aktienrecht wird im gleichen Zusammenhang ebenfalls der Begriff des wirklichen Wertes verwendet (Art. 685b Abs. 4 OR).
Weder das frühere, auf den vorliegenden Fall anwendbare, noch das geltende Recht umschreiben den Begriff des wirklichen Werts. Art. 686 Abs. 4 aOR geht auf die Beratungen der Expertenkommission in den Jahren 1924 und 1925 zurück. Damals wurde vorgeschlagen, dem abgewiesenen Erben einen gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung und Übernahme seiner Aktien durch die Verwaltung oder die Aktionäre zu geben (Protokoll Expertenkommission S. 292 ff., Voten Oser und Wieland). Der Begriff des wirklichen Werts findet sich erstmals und ohne nähere Umschreibung im Gesetzesentwurf des Bundesrates vom 21. Februar 1928 (BBl 1928 I 205 ff., 245 und 391), welchem das Parlament in diesem Punkt diskussionslos zustimmte. Im Entwurf zum neuen Aktienrecht verstand der Bundesrat den Begriff im Sinne des Verkehrswerts. Deshalb sind nach seiner Auffassung neben dem Wert des Anteils an der Gesellschaft alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, welche den Verkehrswert beeinflussen. Aufgezählt werden in der Botschaft als Beispiele der Preis der Kaufsofferte, der Umfang des Minderheitspaketes und die Zukunftsaussichten des Unternehmens (BBl 1983 II 745 ff., 901). In den parlamentarischen Beratungen wurde die Frage der Aktienbewertung nur insoweit erwähnt, als darauf hingewiesen wurde, eine diesbezüglich in den Statuten festgelegte Berechnungsmethode dürfe nicht auf eine materielle Enteignung der Erben hinauslaufen (Amtl.Bull. NR 1985 S. 1725; Votum NR Leuenberger).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedeutet der Begriff des wirklichen Werts, dass der von der Gesellschaft abgelehnte Aktienerwerber Anspruch auf eine volle Entschädigung hat (BGE 92 III 20 E. 3 S. 25), die aufgrund des inneren Werts der Aktien festgelegt wird (BGE 110 II 293 E. 2c S. 297). Dabei handelt es sich nach herrschender Literaturmeinung um einen objektiven Wert, der als Gesamtwert der Gesellschaft unter Einschluss von Substanz- und Ertragswert zu bestimmen ist (BÜRGI, Zürcher Kommentar, N. 85 ff. zu Art. 686 aOR; VON STEIGER, Zürcher Kommentar, N. 17 zu Art. 792 OR; SCHUCANY, N. 3 zu Art. 686 aOR; BÖCKLI, Das neue Aktienrecht, S. 195 f. Rz. 700 ff.; F. VON STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft in der Schweiz, 4. Aufl., S. 161; SECRÉTAN, La notion de "valeur réelle"
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des actions non cotées au sens de l'article 686 alinéa 4 du C.O., in Mélanges Carry, S. 117 ff.; RAPP, Actions nominatives liées, in Le nouveau droit des sociétés anonymes, S. 303 ff., 310; NOBEL, Aktienrechtliche Entscheide, 2. Aufl., S. 213 f.; GUHL/KUMMER/DRUEY, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Aufl., S. 655 f.; HANSJÜRG LENHARD, Der Erwerb von vinkulierten Namenaktien infolge Erbgangs, Diss. Zürich 1975, S. 63 ff.; PETER LUTZ, Vinkulierte Namenaktien, Diss. Zürich 1988, S. 278 ff.). Ob darüber hinaus auch subjektive, persönliche Interessen zu berücksichtigen sind, welche die Bewertung aus der Sicht der beteiligten Parteien beeinflussen können, braucht im vorliegenden Fall nicht erörtert zu werden, da sich weder Kläger noch Beklagte auf solche Interessen berufen.
Einigkeit besteht in der Lehre sodann darin, dass die Bewertung grundsätzlich unter der Annahme der Fortführung des Unternehmens zu erfolgen und daher der Liquidationswert ausser Betracht zu bleiben hat (BÜRGI, Zürcher Kommentar, N. 89 zu Art. 686 aOR; VON STEIGER, Zürcher Kommentar, N. 17 zu Art. 792 OR; SECRÉTAN, a.a.O., S. 123; LENHARD, a.a.O., S. 58; LUTZ, a.a.O., S. 279). Ausgenommen davon wird der Fall einer Gesellschaft, die vor der Auflösung steht oder - nach vereinzelter Lehrmeinung - unrentabel ist (LENHARD, a.a.O., S. 58; LUTZ, a.a.O., S. 279; vgl. auch HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, N. 19 zu Art. 211 ZGB). Letzteres entspricht den allgemeinen Regeln der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung (HELBLING, Unternehmensbewertung und Steuern, 7. Aufl., S. 169 ff.).
c) Die Kläger bringen - wie bereits erwähnt - vor, der Liquidationswert müsse bei der Bewertung der Aktien die untere Grenze bilden. Dazu führen sie aus, den Übernehmern der Aktien stehe nicht an, sich durch die Eintragungsverweigerung wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen und durch eine Niedrigertragspolitik den Fortführungswert der Unternehmung und damit den Preis für die Aktien absichtlich tief zu halten. Demgegenüber ist das Obergericht der Auffassung, die Mehrheit der Aktionäre entscheide, ob eine unrentable Unternehmung fortzuführen sei, und dieser Entscheid sei auch bei der Unternehmensbewertung im Sinne von Art. 686 Abs. 4 aOR zu respektieren, zumal der heute unrentable Kinobetrieb der Beklagten unter deren statutarischen Zweck falle und keine Anhaltspunkte dafür beständen, dass der Zweck in absehbarer Zukunft geändert werde. Der Liquidationswert scheidet deshalb nach Meinung des Obergerichts als Wertuntergrenze aus; er sei aber bei der
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betriebswirtschaftlichen Bewertung der Unternehmung angemessen zu berücksichtigen.
Die Feststellungen im angefochtenen Urteil, es sei nicht davon auszugehen, dass die Beklagte in absehbarer Zukunft ihren Zweck oder ihre Geschäftspolitik ändern werde, sind tatsächlicher Natur und deshalb für das Bundesgericht im Berufungsverfahren verbindlich (Art. 63 Abs. 2 OG). Rechtsfrage ist dagegen, ob die Kläger unter diesen Umständen Anspruch auf eine Bewertung der Aktien haben, welche auf den Liquidationswert als untere Grenze abstellt. Diese Frage ist mit dem Obergericht, aber aus teilweise anderen Gründen zu verneinen.
Im Recht der einfachen und der Personengesellschaften verwendet das Gesetz verschiedentlich den Begriff des Liquidationsanteils im Zusammenhang mit gegen einen Gesellschafter gerichteten Zwangsvollstreckungsmassnahmen (Art. 545 Ziff. 3, 572 Abs. 2, 575 Abs. 2, 578 OR). Dabei handelt es sich durchwegs um Tatbestände, die zur Auflösung der Gesellschaft führen, teilweise unter Vorbehalt der Auszahlung des Vermögensanteils durch die übrigen Gesellschafter (Art. 578 OR). Im Gegensatz dazu regelt Art. 686 Abs. 4 aOR keinen Auflösungs-, sondern einen Ausschliessungstatbestand auf der Grundlage der Fortführung des Unternehmens (SECRÉTAN, a.a.O., S. 123). In diesem Rahmen ist deshalb die Bewertung der Aktien vorzunehmen. Der als Aktionär abgewiesene Erwerber der Aktien soll vermögensmässig so gestellt werden, wie wenn seinem Eintragungsgesuch stattgegeben worden wäre. Er darf im Vergleich zu den Aktionären weder einen Vorteil erhalten noch einen Nachteil erleiden, sondern muss unter Berücksichtigung seiner verschiedenen Lage nach Möglichkeit gleich behandelt werden.
Massgebender Zeitpunkt der Bestimmung des wirklichen Wertes der Aktien ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung in das Aktienbuch (Art. 686 Abs. 4 OR). Dieser Wert wird in der Regel auch von der zukünftigen Entwicklung der Gesellschaft beeinflusst, was vom Obergericht denn auch zu Recht berücksichtigt worden ist. Bei der prognostischen Einschätzung der Gesellschaft hat es allerdings das mutmassliche Stimmrechtsverhältnis unter den Aktionären zu stark in den Vordergrund gestellt. Die Auswirkungen dieses Faktors sind an sich schon schwierig zu erfassen, weil sie von verschiedenen, sich möglicherweise rasch ändernden Umständen abhängen, die lediglich aufgrund einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung bestimmt werden können. Das gilt umso mehr im vorliegenden Fall, in dem ein Aktienanteil von über zehn Prozent in
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Frage steht, welcher den Klägern nach neuem Aktienrecht ermöglicht hätte, die Auflösung der Gesellschaft aus wichtigen Gründen zu verlangen (Art. 736 Ziff. 4 OR).
Im Ergebnis und in bezug auf die weitere Urteilsbegründung ist dem Obergericht aber zuzustimmen. Nach seinen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Beklagte an ihrer bereits seit Jahren betriebenen Geschäftspolitik, die einen geringen Ertrag zur Folge hat, auch weiterhin festhalten wird. Mit einer Liquidation oder einem Verkauf der Gesellschaft ist in absehbarer Zukunft nicht zu rechnen. Diese Umstände rechtfertigen die Bewertung der Aktien auf der Grundlage der Fortführung der Gesellschaft. Auf den Liquidationswert wäre nur dann massgeblich abzustellen gewesen, wenn nach der konkreten Situation festgestanden hätte, dass die Gesellschaft in naher Zukunft liquidiert worden wäre. Bei der Prognose über die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft können zwar auch die Stimmrechtsverhältnisse berücksichtigt werden. Darauf bezügliche Voraussagen müssen aber auf die tatsächlich gegebenen Umstände und nicht auf die blosse Vermutung abgestützt werden, die Aktionäre seien im Sinne des wirtschaftlichen Maximierungsprinzips daran interessiert, eine unrentable oder ertragsarme Gesellschaft zu liquidieren oder deren Geschäftspolitik zu ändern. Umgekehrt muss aber auch der eindeutig feststellbare Wille der Entscheidungsträger einer solchen Gesellschaft berücksichtigt werden, die bisherige Geschäftspolitik beizubehalten, selbst wenn deren Zweckmässigkeit vom betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus fraglich erscheinen mag. Der Bewertung sind somit die subjektiv gewollten und nicht die aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht objektiv angezeigten unternehmerischen Entscheidungen zugrunde zu legen. Diese Betrachtungsweise entspricht im übrigen der Bewertung von Minderheitsanteilen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien. Auch hier entfällt der Liquidationsanteil als Wertuntergrenze, wenn der Betrieb nach dem Willen des Entscheidungsträgers weitergeführt werden soll, obwohl ein ungünstiges Verhältnis zwischen Liquidations- und Ertragswert besteht (HELBLING, a.a.O., S. 169, 171 Fn. 6, 484 ff.). Ein Vorbehalt ist allerdings etwa dort zu machen, wo vorauszusehen ist, dass eine Liquidation der Gesellschaft wegen sich anhäufender Verluste unvermeidlich sein wird, oder dort, wo die Rentabilität einer Gesellschaft absichtlich tief gehalten wird, um so die Bewertung der Aktien zu beeinflussen, sowie allgemein für Missbrauchsfälle. Das scheidet im vorliegenden Fall indessen gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz aus.
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Die Behauptung der Kläger, die Beklagte betreibe mit Schädigungsabsicht eine Niedrigertragspolitik, findet in den Sachverhaltsfeststellungen des angefochten Urteils keine Stütze und ist deshalb unbeachtlich.